Emotionale Intelligenz in der Mediation

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Ein Schlüssel zum Erfolg.

Diese Newsletterausgabe wurde inspiriert durch die Gedanken der renommierten Juristin, Psychoanalytikerin und evangelischen Pfarrerin Rotraud Perner, die anlässlich ihres 80. Geburtstags in einem Radiobeitrag auf Ö1 ihre zentralen Überlegungen zur emotionalen Intelligenz und Bewusstseinsarbeit teilte. In den folgenden Ausgaben von CME Mediation & Wandel greifen wir diese wegweisenden Ideen auf und übertragen sie auf den Kontext der Mediation. Die Reflexionen von Perner bieten wertvolle Ansätze für Mediator/innen, um emotionale Dynamiken tiefer zu verstehen und den Mediationsprozess ganzheitlich zu steuern.

Dieser Radiobeitrag ist hier nachzuhören.


Emotionale Intelligenz (EI)

spielt eine entscheidende Rolle im Mediationsprozess. Ein/e erfolgreiche/r Mediator/in benötigt nicht nur das Fachwissen und die methodischen Fähigkeiten, um Konflikte zu lösen, sondern auch die Fähigkeit, die emotionalen Dynamiken zwischen den Mediand/innen zu erkennen und zu steuern. EI ermöglicht es Mediator/innen, die Gefühle und Bedürfnisse der Beteiligten zu verstehen, Spannungen zu erkennen und konstruktive Lösungen zu fördern. Dabei ist emotionale Intelligenz, wie Rotraud Perner in Rückgriff auf C.G. Jung beschreibt, mehrdimensional und umfasst verschiedene Formen des Denkens, die in der Mediation unentbehrlich sind.

Die Bedeutung emotionaler Intelligenz in der Mediation

Emotionale Intelligenz ist weit mehr als bloße Empathie oder emotionale Wahrnehmung – sie ist ein Zustand, der es dem/der Mediator/in ermöglicht, die möglichen Folgen des Verhaltens und der Interaktionen der Mediand/innen abzuschätzen. Dies schließt ein, zwischen dem zu unterscheiden, was ein Wunsch ist und was tatsächlich als reale Möglichkeit gegeben ist. Diese Unterscheidung ist in der Mediation entscheidend, da sie Mediator/innen dabei hilft, unrealistische Erwartungen oder übermäßige Ängste zu erkennen und die Parteien zu einer realistischeren Sichtweise zu führen.

Im Sinne von Rotraud Perner und der 'Bewusstseinsquadrinität'' nach C.G. Jung umfasst emotionale Intelligenz verschiedene Denkweisen, die alle im Mediationsprozess genutzt werden müssen:

  1. Kognitives Denken: Dies ist das analytische, rationale Denken, das notwendig ist, um die Fakten eines Konflikts zu verstehen und strukturelle Lösungen zu finden. Mediator/innen nutzen dieses Denken, um logische Schlüsse zu ziehen und mögliche Folgen von Entscheidungen abzuleiten.
  2. Emotionales Denken: Wie Perner betont, spielt emotionales Denken eine zentrale Rolle in der Mediation. Es ist die Fähigkeit, emotionale Zusammenhänge zu erkennen und zu verstehen, wie diese die Entscheidungsfindung beeinflussen. Mediator/innen müssen in der Lage sein, die Emotionen der Mediand/innen nicht nur wahrzunehmen, sondern auch zu reflektieren und sie in den Verhandlungsprozess zu integrieren.
  3. Körperliches Denken: Das instinktive Wahrnehmen, das aus dem Körper heraus agiert, ist laut Perner ebenfalls eine Form des Denkens. Mediator/innen nutzen oft subtile körperliche Hinweise, um zu erkennen, wie die Parteien wirklich fühlen – auch wenn sie diese Gefühle nicht verbal ausdrücken. Die Körpersprache, Mimik und Gestik geben oft tiefere Einblicke in den emotionalen Zustand der Beteiligten.
  4. Ahnung/Intuition: Die „Rehabilitation der Intuition“, wie es bei Jung heißt, beschreibt die Fähigkeit, intuitiv zu spüren, was im Raum steht. Dieses „sechste Sinn“-Wissen ist nicht mit körperlichen Empfindungen zu verwechseln, sondern eine Form des Denkens, die auf Erfahrung und tiefem Verständnis beruht. Mediator/innen, die ihre Intuition nutzen, können oft komplexe Situationen entschlüsseln, bevor diese rational erfasst werden können. Dazu ist jedoch reflexive Arbeit nötig – Mediator/innen müssen sich selbst die richtigen Fragen stellen und ihre eigene Intuition kritisch hinterfragen.


In den kommenden Ausgaben werden wir uns intensiv mit diesen verschiedenen Aspekten der emotionalen Intelligenz in der Mediation beschäftigen. Jede Ausgabe widmet sich einem spezifischen Aspekt und beleuchtet, wie die Kombination von kognitivem, emotionalem, körperlichem und intuitivem Denken die Mediation bereichert und nachhaltige Konfliktlösungen ermöglicht:

  1. Selbstwahrnehmung: Wie Mediator/innen ihre eigenen Emotionen und inneren Reaktionen erkennen können, um neutral zu bleiben und unbewusste Vorurteile zu vermeiden. Reflexion und Selbstbeobachtung spielen hier eine entscheidende Rolle.
  2. Selbstregulierung: Techniken zur Kontrolle der eigenen Emotionen in stressigen Situationen, um den Mediand/innen Stabilität zu geben und den Prozess zu leiten. Körperliches und emotionales Denken helfen hier, in belastenden Momenten bewusst und gelassen zu bleiben.
  3. Soziale Bewusstheit: Die Fähigkeit, die Emotionen und nonverbalen Signale der Mediand/innen wahrzunehmen und einfühlsam darauf zu reagieren. Hier spielt das körperliche Denken eine wichtige Rolle – Mediator/innen müssen lernen, subtile Signale wie Körpersprache oder Tonfall wahrzunehmen und gegebenfalls kritisch zu deuten.
  4. Beziehungssteuerung: Wie Mediator/innen Spannungen entschärfen und den Dialog fördern können. Die Verbindung von kognitivem, emotionalem und intuitivem Denken ist hier entscheidend, um dynamische Beziehungen zu lenken und eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen.

Freuen Sie sich auf eine praxisorientierte Auseinandersetzung mit diesen Schlüsselkompetenzen der emotionalen Intelligenz im Rahmen der Mediation.

Ausgabe 1: Selbstwahrnehmung – Die Basis für Neutralität und Klarheit

In dieser Ausgabe betrachten wir die Rolle der Selbstwahrnehmung in der Mediation. Selbstwahrnehmung ist der Schlüssel, um sich der eigenen Emotionen und Reaktionen bewusst zu werden. Nur wer sich selbst versteht, kann auch die Konfliktparteien klar und unvoreingenommen unterstützen. Reflexive Arbeit, wie sie von Perner beschrieben wird, spielt hier eine zentrale Rolle: Mediator/innen müssen sich die richtigen Fragen stellen, um ihre eigenen emotionalen und instinktiven Reaktionen zu verstehen.

Ausgabe 2: Selbstregulierung – Ruhe bewahren in stressigen Momenten

In der Selbstregulierung geht es darum, in herausfordernden Momenten ruhig und besonnen zu bleiben. Diese Ausgabe beleuchtet Techniken, die helfen, Emotionen und Instinkte bewusst zu steuern. Körperliches Denken spielt hier eine wichtige Rolle, da Mediator/innen lernen, auf ihren eigenen Körper zu hören, um Anzeichen von Stress oder Überforderung zu erkennen und angemessen zu reagieren.

Ausgabe 3: Soziale Bewusstheit – Die Emotionen der Mediand/innen erkennen und verstehen

Diese Ausgabe beschäftigt sich mit der sozialen Bewusstheit und der Fähigkeit, emotionale und nonverbale Signale der Mediand/innen zu erkennen. Hier ist das Zusammenspiel von emotionalem und körperlichem Denken entscheidend, um nicht nur die Worte, sondern auch die Gefühle und unausgesprochenen Bedürfnisse der Parteien zu verstehen.

Ausgabe 4: Beziehungssteuerung – Spannungen entschärfen und den Dialog fördern

Im letzten Teil unserer Reihe geht es um die Beziehungssteuerung. Mediator/innen müssen die Beziehungen zwischen den Konfliktparteien aktiv lenken, Spannungen abbauen und eine produktive Gesprächsatmosphäre schaffen. Hier kommen kognitives, emotionales und intuitives Denken zusammen, um die Dynamiken zwischen den Parteien zu steuern und den Weg für eine konstruktive Lösung zu ebnen.


Conclusio

Emotionale Intelligenz ist im Mediationsverfahren nicht nur ein hilfreiches Werkzeug, sondern eine grundlegende Fähigkeit, die den gesamten Prozess entscheidend prägt. Wie Rotraud Perner und C.G. Jung verdeutlichen, ist das Verständnis und die Integration von emotionalem, kognitivem, körperlichem und intuitivem Denken der Schlüssel, um tiefere Konflikte zu erkennen und nachhaltige Lösungen zu fördern. Für Mediator/innen bedeutet dies, dass sie sich nicht nur auf ihre methodischen Fähigkeiten verlassen dürfen, sondern auch auf ihre emotionale und intuitive Wahrnehmung. Diese ganzheitliche Herangehensweise ermöglicht es, Konflikte nicht nur sachlich, sondern auch emotional zu lösen – und schafft damit den Raum für wahre Verständigung und dauerhafte Einigung.


Reflexionsfragen zur Emotionalen Intelligenz in der Mediation

  1. Selbstwahrnehmung: Wie gut bin ich mir meiner eigenen Emotionen und Reaktionen während einer Mediation bewusst? In welchen Momenten könnte meine emotionale Verfassung meine Neutralität gefährden?
  2. Selbstregulierung: Welche Strategien nutze ich, um in stressigen Situationen ruhig zu bleiben? Wie reagiere ich, wenn ich spüre, dass meine Emotionen oder Instinkte die Kontrolle übernehmen könnten?
  3. Soziale Bewusstheit: Wie aufmerksam nehme ich die nonverbalen Signale und subtilen Emotionen der Mediand/innen wahr? Kann ich oft die tieferliegenden emotionalen Dynamiken erkennen, selbst wenn sie nicht direkt ausgesprochen werden?
  4. Beziehungssteuerung: In welchen Situationen gelingt es mir, Spannungen zu entschärfen und den Dialog zwischen den Konfliktparteien zu fördern? Wie gut steuere ich die zwischenmenschlichen Beziehungen, um Vertrauen und Kooperation aufzubauen?
  5. Intuition: Vertraue ich auf meine intuitive Wahrnehmung in Mediationen? Wie gut bin ich darin, meine Ahnungen und Intuition zu reflektieren und in meine Entscheidungen und Handlungen einzubeziehen?
  6. Körperliches Denken: Achte ich ausreichend auf meine körperlichen Reaktionen während der Mediation? Wie beeinflussen diese meine Wahrnehmung und mein Verhalten im Mediationsprozess?
  7. Ganzheitlicher Ansatz: Wie gut gelingt es mir, kognitives, emotionales, körperliches und intuitives Denken miteinander zu verknüpfen? Wo sehe ich Potenzial, meine emotionale Intelligenz noch weiter zu entwickeln, um den Mediationsprozess effektiver zu gestalten?


Vielen Dank für Ihr Interesse an dieser Einführung in die Bedeutung der emotionalen Intelligenz in der Mediation. In der kommenden Ausgabe werden wir uns intensiver mit dem Thema Selbstwahrnehmung beschäftigen – dem Fundament, auf dem eine erfolgreiche und neutrale Mediationspraxis aufbaut. Wir freuen uns, wenn Sie auch weiterhin dabei sind und gemeinsam mit uns tiefer in die essenziellen Aspekte der Mediation eintauchen!