Pausensteuerung und Skulpturarbeit

Improvisation in der Mediation 3

In Teil 1 haben wir die Bedeutung der Improvisation in der Mediation in Verbindung mit einer strukturierten Vorgehensweise erläutert. In Teil 2 haben wir unkonventionelle Ansätze und Methoden in der Mediation beleuchtet. Nun, im dritten und abschließenden Teil unseres dreiteiligen Aufsatzes zur Themenstellung "Improvisation in der Mediation", konzentrieren wir uns auf das gezielte und spontane Einsetzen von Pausen und Unterbrechungen sowie die Integration von Skulpturarbeiten, um den Mediationsprozess zu unterstützen.

Gezieltes Einsetzen von Pausen und Unterbrechungen



Das gezielte Einsetzen von Pausen und Unterbrechungen ist eine effektive Methode, um den Mediationsprozess zu unterstützen. Diese Technik hilft, Spannungen abzubauen, Emotionen zu regulieren und den Parteien Raum zum Nachdenken zu geben. Pausen und Unterbrechungen können strategisch eingesetzt werden, um verschiedene Zwecke zu erfüllen:

  • Emotionale Entlastung: Wenn die Gespräche hitzig werden oder die Emotionen hochkochen, kann eine kurze Pause den Parteien helfen, sich zu beruhigen und ihre Gedanken zu sammeln. Dies verhindert Eskalationen und ermöglicht eine konstruktivere Fortsetzung des Gesprächs.
  • Reflexion und Klarheit: Eine Unterbrechung bietet den Parteien die Gelegenheit, über das bisher Gesagte nachzudenken und ihre Positionen zu überdenken. Dies kann zu neuen Einsichten und Perspektiven führen, die während des kontinuierlichen Gesprächs möglicherweise nicht entstehen würden.
  • Strukturierung und Fokussierung: Gezielte Pausen können genutzt werden, um den Prozess zu strukturieren und den Fokus neu zu setzen. Der Mediator kann die Parteien anleiten, sich auf die wichtigsten Punkte zu konzentrieren und Ablenkungen zu vermeiden.
  • Entspannung und Wohlbefinden: Längere Mediationssitzungen können anstrengend sein. Regelmäßige Pausen tragen dazu bei, das Wohlbefinden der Beteiligten zu fördern und die geistige und körperliche Erschöpfung zu verringern.
  • Umgang mit Verhaltensänderungen: Im Verlauf des Verfahrens können bei einzelnen Medianden sichtbare Änderungen im Verhalten auftreten. In solchen Fällen können Pausen Wunder bewirken, indem sie emotionale Ausbrüche abfangen und den Beteiligten Zeit geben, ihre Gefühle zu verarbeiten und sich wieder zu sammeln.

Diese Methode erfordert vom Mediator ein feines Gespür für den richtigen Zeitpunkt und die angemessene Dauer der Pausen. Durch gezielte Unterbrechungen kann der Mediationsprozess dynamisch und effektiv gestaltet werden, indem sie den natürlichen Fluss des Gesprächs unterstützen und den Parteien helfen, ihre besten Beiträge zu leisten.

Integration von Skulpturarbeiten

Systemische Skulpturen: Die Integration von Skulpturarbeiten in den Mediationsprozess kann eine kraftvolle Methode sein, um das System und die Beziehungen innerhalb dieses Systems zu visualisieren. Mediatoren können die Konfliktparteien direkt in die Skulpturarbeit einbeziehen, sodass diese ihre Positionen innerhalb des Systems darstellen. Dies ermöglicht eine visuelle und konkrete Betrachtung der Beziehungen und Dynamiken.



Ein Beispiel für den Einsatz systemischer Skulpturen könnte folgendermaßen aussehen:

  1. Einbeziehung der Parteien: Die Konfliktparteien werden eingeladen, sich selbst und die anderen Beteiligten physisch im Raum anzuordnen. Diese Positionen sollen die Wahrnehmungen und Gefühle der Parteien über ihre Beziehungen und Dynamiken innerhalb des Konfliktsystems widerspiegeln.
  2. Anordnung im Raum: Die Parteien stellen sich im Raum so auf, dass die Beziehungen und Abstände zwischen den Personen sichtbar werden. Diese Anordnung zeigt, wer nahe beieinander steht, wer weit entfernt ist, und welche Personen in direkter Verbindung zueinander stehen.
  3. Interpretation und Reflexion: Nach der Anordnung der Skulpturen reflektieren die Parteien gemeinsam mit dem Mediator über die dargestellten Beziehungen und Dynamiken. Fragen wie „Was fällt Ihnen an der Anordnung auf?“ oder „Wie fühlen Sie sich in Ihrer Position innerhalb der Skulptur?“ können helfen, tiefer in die Analyse einzutauchen.
  4. Erarbeitung von Lösungsansätzen: Basierend auf den Erkenntnissen aus der Visualisierung können die Parteien neue Lösungsansätze entwickeln. Sie können ihre Positionen im Raum verändern, um mögliche Veränderungen in den Beziehungen und Dynamiken zu simulieren und zu diskutieren, wie sich diese Veränderungen auf das Gesamtsystem auswirken könnten.


Ergänzende Methoden zur Skulpturarbeit

Die Skulpturarbeit kann durch verschiedene systemische Methoden ergänzt werden, um tiefere Einsichten und zusätzliche Perspektiven zu gewinnen. Dazu gehören:

3-Kreis-Modell (Tagiuri und Davis): Diese Methode hilft, die verschiedenen Ebenen eines Systems – das Individuum, die Beziehung und das Umfeld – zu visualisieren und zu analysieren. Das 3-Kreis-Modell, entwickelt von Renato Tagiuri und John Davis, wird oft in der Familienunternehmenstheorie verwendet und beschreibt die drei wesentlichen Subsysteme: Eigentum, Familie und Management. Diese Kreise repräsentieren die verschiedenen Rollen, die Menschen in einem System einnehmen können, und die Überschneidungen zwischen diesen Rollen. Durch die Identifikation und Betrachtung dieser Ebenen können Mediatoren und Parteien die verschiedenen Einflüsse und Wechselwirkungen besser verstehen.



3-Kreis-Methode

Tetralemma: Das Tetralemma ist eine Methode, die in komplexen Entscheidungssituationen hilft, alternative Lösungsansätze zu entwickeln. Es geht über die klassischen Ja-Nein-Dichotomien hinaus und umfasst vier Positionen: „Dies“, „Das“, „Beides“ und „Keines von beidem“. Eine fünfte Position kann „Alles oder etwas ganz anderes“ sein. Diese Methode fördert kreatives Denken und ermöglicht es den Parteien, neue und innovative Lösungen zu entdecken.



Tetralemma

Neunfelder-Methode: Diese - von von Joseph Rieforth entwickelte -Methode bietet eine strukturierte Möglichkeit, die verschiedenen Aspekte eines Problems (Konflikts) oder eines Systems zu analysieren. Sie unterteilt das Thema (Position, Lösungsoption etc) in neun Felder, die unterschiedliche Perspektiven und Dimensionen repräsentieren. Dabei werden sowohl die (Zeit-)Dimensionen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft als auch die Lösungsdimensionen Problem, Ressource und Lösung analysiert. Dieses Matrixsystem kann dann in drei Positionsvarianten untersucht werden:

  1. Selbst des/r Betrachtenden: Die eigene Perspektive und Sichtweise auf die verschiedenen Felder.
  2. Zirkularitätsposition A: Die Perspektive einer anderen Person innerhalb des Konfliktsystems.
  3. Zirkularitätsposition B: Die Metaposition, welche die Perspektive einer Person außerhalb des Konfliktsystems einnimmt.

Diese umfassende Analyse hilft, das Gesamtbild zu erkennen und spezifische Bereiche zu identifizieren, die besondere Aufmerksamkeit erfordern. Durch die Kombination der Zeit- und Lösungsdimensionen mit den verschiedenen Perspektiven können tiefere Einsichten gewonnen und innovative Lösungsansätze entwickelt werden.




Neunfelder-Methode


Fazit

In dieser dreiteiligen Artikelserie haben wir die Bedeutung der Improvisation in der Mediation untersucht und die Rolle von unkonventionellen Ansätzen und Methoden betont. Improvisation in der Mediation bedeutet, etablierte Methoden zu variieren und zu kombinieren, um auf die individuellen Bedürfnisse der Konfliktparteien einzugehen. Kreative Ansätze wie Metaphern, Rollenspiele, Spiegeln, Loopen, zirkuläre Fragestellungen, Skulpturarbeiten und gezielte Pausen bieten Mediatoren die Werkzeuge, um tiefere Einsichten und nachhaltigere Lösungen zu ermöglichen.

Indem Mediatoren diese Techniken meistern und improvisieren, können sie den Mediationsprozess bereichern und die Parteien dabei unterstützen, konstruktive und kreative Lösungen zu finden. Dies erfordert nicht nur methodisches Wissen, sondern auch die Bereitschaft zur ständigen Weiterentwicklung und Anpassung an die spezifischen Herausforderungen jedes Konflikts.

Bleiben Sie gespannt auf unsere nächste Ausgabe, bis dahin wünschen wir eine gute Zeit.







Sind Sie interessiert, die Fähigkeiten und Techniken der Mediation zu erlernen und selbst Mediator/in zu werden? Wir bieten Ihnen eine praxisorientierte – vom Bundesministerium für Justiz anerkannte - Ausbildung, die Ihnen die notwendigen Werkzeuge und Methoden vermittelt, um Konflikte effektiv zu lösen und nachhaltige Vereinbarungen zu treffen.

Unsere Mediationsausbildung umfasst:

  • Praxisorientierte Workshops: Lernen Sie durch realistische Fallbeispiele und praktische Übungen.
  • Erfahrene Dozenten: Profitieren Sie von der Expertise erfahrener Mediatoren und Trainer.
  • Flexible Kurszeiten: Unsere Ausbildung ist so gestaltet, dass sie sich gut mit beruflichen Verpflichtungen vereinbaren lässt.
  • Zertifizierung/Assessment: Nach Absolvierung des Lehrgangs erhalten Sie ein Zertifikat, das Ihre fachliche Qualifikation als Mediator/in iSd §10 Zivilrechts-Mediations-Gesetzes bestätigt.


Starten Sie Ihre Reise in die Welt der Mediation und tragen Sie aktiv zur Lösung von Konflikten bei.